Die Katze des Yogis

Ein Guru hielt mit seinen üngern täglich eine Abendmeditation.

Als eines Tages die Hauskatze während dieser Zeit in den Meditationsraum lief und störte, ordnete er an, sie solle während dieser Zeit draussen festgebunden werden.

So konnte man von da an wieder ungestört meditieren. Aber die Zeit verging.

Der Guru starb und bekam einen Nachfolger. Dieser hielt sich streng an die Tradition, dass während der Abendmeditation draussen eine Katze angebunden sein müsse.

Als schliesslich auch die Katze starb, wurde eine neue Katze angeschafft, um sie während der Abendmeditation anbinden zu können.

Weil die einfachen Leute den Sinn dieser Massnahme nicht verstanden, traten Theologen auf den Plan und schrieben ein zweibändiges Werk mit vielen Fussnoten über die Heilsnotwendigkeit einer angebundenen Katze während der Abendmeditation.

Mit der Zeit jedoch kam die Abendmeditation selbst ganz ausser Gebrauch; niemand mehr interessierte sich dafür. Aber mit grösster Treue wurde wenigstens der Ritus des Katzenanbindens beibehalten.«

(aus “Die Kunst, kein Egoist zu sein”, R.D. Precht)